Die nächtliche Putzkolonne im Gehirn: Warum gute Nachtruhe Selfcare ist!

Schlaf ist Selfcare

Wer an „Selfcare“ denkt, stellt sich oft Gesichtsmasken, Yoga oder Digital Detox vor. Doch wahre Selbstfürsorge beginnt viel früher – nämlich im Bett. Genauer gesagt: mit einem gesunden, erholsamen Schlaf.

Als Trainerin für Führungskräfte und Teamentwicklung verbringe ich diverse Nächte im Monat in verschiedenen Hotels, und manchmal wechsele ich sogar innerhalb derselben Reise das Hotel, bevor es wieder nach Hause geht. Erholsam sind diese Nächte selten. Viele meiner Kund:innen jonglieren gleich mehrere zeitaufwendige Rollen in ihrem Leben und wenn die Zeit dafür knapp wird, wird in der Regel am Schlaf gespart.

Dabei ist genau der so unfassbar wichtig! Um Menschen von erholsamen und genügend Schlaf zu überzeugen, haben mein Team und ich ein paar spannende Fakten zusammengesucht.


Die Bedeutung von gesundem Schlaf


Schlaf ist kein Luxus. Er ist keine Belohnung am Ende eines Tages, sondern eine biologische Notwendigkeit, vergleichbar mit Nahrung und Wasser. Laut einer Studie benötigen Erwachsene im Durchschnitt 7 bis 9 Stunden Schlaf pro Nacht, um optimal zu funktionieren.

In einer Gesellschaft jedoch, die Produktivität häufig über Erholung stellt, gilt es, den Wert gesunden Schlafs neu zu begreifen. Denn: Guter Schlaf regeneriert nicht nur den Körper, sondern auch die Seele. Er stabilisiert unsere Emotionen, stärkt das Gedächtnis, balanciert Hormone und gibt uns die Kraft, den Tag mit Klarheit, Energie und Gelassenheit zu bewältigen.

Selfcare ist also nicht unbedingt eine Frage zusätzlicher Zeit oder besonderer Rituale. Manchmal bedeutet sie schlicht: genug und gut schlafen.


Die Wissenschaft hinter gesundem Schlaf


Der Mensch verbringt rund ein Drittel seines Lebens im Schlaf. Schlaf wirkt von außen betrachtet passiv, aber in unserem Inneren läuft währenddessen ein hochkomplexes Programm ab. Unser Gehirn ist keineswegs „ausgeschaltet“, sondern übernimmt lebenswichtige Aufgaben, die unseren Körper und Geist regenerieren.

Bekanntlich gliedert sich unser Schlaf in verschiedene Phasen, die sich mehrmals pro Nacht abwechseln (Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf). Ihr kennt das alles, darum reiße ich das nur kurz an und halte fest:

  • Tiefschlafphasen sind das Reparaturzentrum unseres Körpers: Zellschäden werden behoben, Muskeln wachsen, das Immunsystem wird gestärkt.
  • REM-Schlafphasen sind das emotionale Update: Erlebnisse des Tages werden sortiert, Gefühle verarbeitet, Gelerntes gespeichert, was enorm wichtig für unsere Kreativität, psychische Stabilität und Gedächtnisleistung ist.
  • Der zirkadiane Rhythmus, unsere innere Uhr, steuert den Schlaf-Wach-Zyklus im 24-Stunden-Takt, beeinflusst durch Licht, Temperatur und das Schlafhormon Melatonin.

Was wir also nicht vergessen dürfen: Schlaf ist aktive Selbstfürsorge. Während wir ruhen, reinigt sich das Gehirn (dazu weiter unten mehr), stärkt sich der Körper, ordnen sich die Gedanken. Guter Schlaf ist keine Pause vom Leben, sondern ein essenzieller Teil davon.


Die Folgen von Schlafmangel


Wer dauerhaft zu wenig oder schlecht schläft, setzt seine Gesundheit aufs Spiel, und zwar oft, ohne es zu merken. Eine Studie von Cappuccio et al. (2010) zeigt, dass Menschen, die regelmäßig weniger als sechs Stunden pro Nacht schlafen, ein um 48% erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

Schlafmangel ist dabei ein schleichender Prozess. Anfangs fühlt man sich „nur ein bisschen müde“, später kommt Gereiztheit, dann sinkt die Leistungsfähigkeit.

Langfristig kann chronischer Schlafmangel zu Problemen führen wie:

  • Kognitive Defizite: Konzentrationsstörungen, verlangsamtes Denken, Gedächtnisprobleme.
  • Emotionale Instabilität: Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, erhöhte Anfälligkeit für Angst und Depression.
  • Körperliche Erkrankungen: Erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Diabetes Typ 2, Übergewicht.
  • Unfallrisiken: Schlafmangel beeinträchtigt die Reaktionsgeschwindigkeit ähnlich stark wie Alkohol – gefährlich im Straßenverkehr oder im Job.
  • Immunschwäche: Wer wenig schläft, wird häufiger krank; die Abwehrkräfte sinken signifikant.

Kurz: Schlafmangel ist nicht nur ein kleines Alltagsproblem, sondern ein echtes Gesundheitsrisiko.



Schlafmittel – eine kurzfristige Lösung

Schlafmittel versprechen eine schnelle Lösung, und die dürfen sie z. B. in Krisensituationen, bei Jetlag oder akuten Stressphasen auch sein. Aber auf Dauer bringen sie neue Risiken wie den Gewöhnungseffekt, Abhängigkeit und einen gestörten Schlafrhythmus, denn viele Mittel unterdrücken bestimmte Schlafphasen, vor allem REM-Phasen, was zu einem nicht-erholsamen Schlaf führt.

Doch das ist leider noch nicht alles.

Schlaf als Reinigungsprozess im Gehirn


Einmal saubermachen bitte!


Ein oft unterschätzter Aspekt beim Einsatz von Schlafmitteln betrifft ihre mögliche Auswirkung auf die natürliche „Putzkolonne“ unseres Gehirns. Während wir schlafen – besonders in den Tiefschlafphasen – läuft im Hintergrund ein faszinierender Reinigungsprozess ab: Das sogenannte glymphatische System wird aktiv.

Dieses Netzwerk spült Abfallstoffe und schädliche Substanzen aus dem Gehirn und spielt damit eine zentrale Rolle für unsere geistige Gesundheit. Es hilft sogar, Erkrankungen wie Alzheimer vorzubeugen (Xie, L., et al., 2013).

Schlafmittel jedoch, vor allem solche, die die Struktur unseres Schlafs verändern, können diesen wichtigen Prozess stören. Forschungsergebnisse zeigen, dass manche Mittel die Tiefschlafphasen verkürzen oder ihre Qualität beeinträchtigen, und genau diese Phasen sind essenziell für die Reinigung. Wird das glymphatische System ausgebremst, können sich im Laufe der Zeit schädliche Substanzen im Gehirn ansammeln, was das Risiko für kognitive Probleme erhöht (Ju, Y. E. S., et al., 2017).

Deshalb lohnt es sich, bei Schlafproblemen genau hinzuschauen. Schlafmittel sollten, wie erwähnt, mit Bedacht eingesetzt werden. Oft können auch alternative Methoden helfen, die Schlafqualität zu steigern. Wir kennen sie alle (befolgen sie nur nicht), darum hier bloß im Überblick:

  • feste Schlafenszeiten
  • bildschirmfreie Zeit vorm Schlafengehen
  • feste Abendrituale
  • richtige Schlafumgebung
  • Gedanken aufräumen


Und natürlich spielen Bewegung und Ernährung eine zentrale Rolle für unseren Biorhythmus und für die Qualität unseres Schlafes.

Es gibt viele kleine Stellschrauben, die wir bedienen können, um unserem Körper zu mehr Ruhe zu verhelfen. Damit er die Putzkolonne reinlassen kann. Aber dann ist da ja noch der Störfaktor Nummer eins.

Wenn Arbeit uns den Schlaf raubt


Eine der häufigsten Ursachen für Schlafstörungen ist Stress, und der entsteht oft im beruflichen Kontext. Regelmäßig werden dazu Studien erhoben, ich erspare es uns, die im Detail zu zitieren. Ich will ein paar wesentliche Aspekte herauspicken, weil sie so allgegenwärtig und konstant in unserem Alltag präsent sind.

Leistungskultur als Schlafkiller

Überstunden, ständige Erreichbarkeit, hoher Leistungsdruck: Wer abends nicht „abschalten“ kann, schläft oft schlecht. Gedanken kreisen, das Gedankenkarussell dreht sich weiter.

Hinzu kommt: Viele Unternehmen belohnen Überarbeitung indirekt. Schlaf gilt (immer noch!) als Zeichen von Schwäche oder mangelndem Einsatz.

Work-Life-Sleep-Balance

Es ist an der Zeit, Schlaf als Teil der gesunden Arbeitskultur zu begreifen. Firmen können viel tun:

  • Flexible Arbeitszeiten ermöglichen, die natürliche Biorhythmen respektieren
  • Digitale Auszeiten etablieren („Right to Disconnect“)
  • Schlafaufklärung und Resilienztrainings anbieten
  • Führungskräfte als Vorbilder für gesunden Schlaf positionieren


Wer gut schläft, arbeitet besser. Selfcare ist kein Luxus, sondern Basis für nachhaltige Leistungsfähigkeit.


Fazit: Schlaf ist die unterschätzte Form der Selbstfürsorge


Selfcare muss nicht kompliziert sein. Manchmal beginnt sie ganz einfach – mit dem Entschluss, sich selbst den Schlaf zu gönnen, den man braucht und diesen dementsprechend zu ermöglichen.

In einer Zeit, in der alles schneller, lauter und fordernder wird, ist erholsamer Schlaf ein leiser Akt des Widerstands. Ein kraftvolles Zeichen der Selbstachtung. Und vielleicht die einfachste, schönste Form der Selfcare.


Zusammenfassung


  • Gesunder Schlaf ist die Grundlage für körperliche, geistige und emotionale Gesundheit – und damit essenzieller Bestandteil von Selfcare.
  • Schlaf ist ein biologisch gesteuerter Erholungsprozess, der u.a. Hormonhaushalt, Immunsystem und Gedächtnisleistung beeinflusst.
  • Chronischer Schlafmangel hat weitreichende Folgen – von Konzentrationsstörungen bis zu erhöhtem Risiko für Depressionen, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  • Schlafmittel können helfen, sind aber langfristig problematisch; besser sind natürliche und nachhaltige Methoden.
  • Kleine Veränderungen im Alltag – wie Lichtmanagement, feste Routinen und Entspannungsrituale – können den Schlaf erheblich verbessern.
  • Ernährung und Bewegung wirken direkt auf die Schlafqualität, nicht zu unterschätzen ist z. B. der Einfluss von Koffein, Alkohol oder spätem Training.
  • Stress und Arbeitsdruck rauben vielen Menschen den Schlaf, Unternehmen und Führungskräfte stehen zunehmend in der Verantwortung.



Quellen


Cappuccio, F. P., et al. (2010). „Sleep duration and all-cause mortality: a systematic review and meta-analysis of prospective studies.“ Sleep, 33(5), 585-592.

Carskadon, M. A., & Dement, W. C. (2011). „Normal human sleep: an overview. In Principles and Practice of Sleep Medicine“ (5th ed., pp. 16-26). Elsevier Saunders.

Dang-Vu, T. T. et al. (2010). „Spontaneous neural activity during human slow wave sleep.“ Proceedings of the National Academy of Sciences, 105(39), 15160–15165.

Ju, Y. E. S., et al. (2017). „Sleep and Alzheimer disease pathology – a bidirectional relationship.“ Nature Reviews Neurology, 13(2), 115-126.

Kredlow, M. A., et al. (2015). „The effects of physical activity on sleep: a meta-analytic review.“ Journal of Behavioral Medicine, 38(3), 427-449.

Schutte-Rodin, S., et al. (2008). „Clinical guideline for the evaluation and management of chronic insomnia in adults.“ Journal of Clinical Sleep Medicine, 4(5), 487-504.

St-Onge, M. P., et al. (2016). „Sleep and diet: mounting evidence of a cyclical relationship.“ Annual Review of Nutrition, 36, 157-173.

Walker, M. P. (2017). „Why We Sleep: Unlocking the Power of Sleep and Dreams.“ Scribner.

Xie, L., et al. (2013). „Sleep drives metabolite clearance from the adult brain.“ Science, 342(6156), 373-377.

Zhao, L. et al. (2020). „The effects of benzodiazepine and non-benzodiazepine hypnotics on sleep architecture: A meta-analysis.“ Sleep Medicine Reviews, 54, 101366.. Sleep Medicine Reviews, 54, 101366.

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