
Im vor Kurzem erschienen Artikel „Wenn die Chefin den Diener macht“ wird die geschäftsführende Gesellschafterin Caroline von Kretschmann porträtiert und ihr Führungsstil des „Servant Leadership“ vorgestellt (vgl. ZEIT online, 3.7.25). Als Chefin des Fünf-Sterne-Hotels Europäischer Hof in Heidelberg telefoniert sie nicht nur mit Geschäftspartnern, sondern auch mit Facharztpraxen – für ihre Mitarbeitenden. Ihr Stil: Servant Leadership. Sie begegnet ihrem Team auf Augenhöhe, spricht von Kolleginnen statt Angestellten und lebt Führung als Dienst am Menschen. Wer so führt, stellt sich nicht über andere, sondern stellt sich vor sie.
Doch Servant Leadership ist nicht die einzige Antwort auf die Frage, wie gute Führung in Zeiten von Transformation, Sinnsuche und Fachkräftemangel aussehen kann. Da ist noch ein weiterer Ansatz, der nicht weniger menschlich ist, dafür aber eine andere Energie ausstrahlt: Positive Leadership. Hier steht nicht das Dienen im Vordergrund, sondern das gezielte Ermöglichen, das Wachküssen von Potenzialen, das Managen von Stärken, das Feiern von Fortschritt. Wer das jetzt für esoterisches Wohlfühl-Management hält, sollte weiterlesen.
Die Kraft des Positiven: Wo Positive Leadership ansetzt
Positive Leadership basiert auf der Positiven Psychologie, wie sie unter anderem von Martin Seligman und Barbara Fredrickson geprägt wurde. Diese Forschungsrichtung fragt sich nicht, was Menschen krank macht, sondern was sie gesund, leistungsfähig und zufrieden macht. Und genau das übertragen wir ins Büro, in den Betrieb oder die Werkshalle. Statt sich auf Fehler, Defizite und Zielabweichungen zu stürzen, fragt Positive Leadership: Was läuft gut? Was können wir noch besser machen? Und wie bringen wir unsere besten Seiten zum Leuchten, auch montags um acht Uhr?
Führungskräfte, die diesem Ansatz folgen, schaffen gezielt Räume für positive Emotionen, stärken Beziehungen im Team, fördern sinnstiftende Aufgaben und ermutigen ihre Mitarbeitenden, ihre individuellen Stärken einzusetzen. Das ist kein Wellnessprogramm mit Flipcharts und Klangschalen, sondern ein hochwirksamer Hebel für Engagement, Innovationskraft und Leistungsfreude.
Erfolg mit Haltung: Wie Positive Leadership wirkt
Positive Leadership funktioniert nicht nur im hippen Start-up mit Kicker, sondern auch im produzierenden Mittelstand oder im Großkonzern mit Betriebsrat und Budgetdruck. Es braucht keine schicken Jobtitel oder Yogamatten im Konferenzraum, sondern eine Haltung. Wer so führt, ist nicht der Entertainer des Teams, sondern der Ermöglicher. Und genau das zahlt sich aus.
Forschungen, etwa von Kim Cameron oder Heike Bruch, zeigen: Wo positive Führung gelebt wird, sind Mitarbeitende engagierter, seltener krank, bleiben länger und bringen sich aktiver ein. Teams entwickeln mehr Vertrauen, zeigen mehr Kreativität und arbeiten produktiver zusammen. Selbst wenn’s mal stürmt, hilft dieser Führungsstil dabei, den Kurs zu halten – nicht, weil alle in Watte gepackt sind, sondern weil sie wissen, wofür sie arbeiten und dass jemand hinter ihnen steht, der nicht nur Zahlen, sondern auch Menschen sieht.

Stärken statt Schwächen: Was Führungskräfte davon haben
Auch für Führungskräfte selbst ist Positive Leadership kein Draufzahlgeschäft. Wer so führt, hat oft weniger Konflikte, dafür mehr Rückhalt. Man ist nicht mehr der Feuerwehrmann (oder die -frau) mit ständigem Löschauftrag, sondern die Dirigentin, die dafür sorgt, dass alle ihr Instrument spielen können – ohne ständig dazwischenzubrüllen. Die Arbeit wird dadurch nicht weniger herausfordernd, aber deutlich sinnvoller.
Denn Positive Leadership heißt nicht, alles durchgehen zu lassen oder den kritischen Blick aufzugeben. Ziele, Struktur und klare Erwartungen gehören ebenso dazu; nur eben in einer Atmosphäre, in der man sich traut, Fehler einzugestehen, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam zu wachsen. Oder um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Wer nur kontrolliert, bekommt Kontrolle. Wer Vertrauen gibt, bekommt das Beste.
Führung mit Sinn und Wirkung
Positive Leadership ist keine Wohlfühlutopie, sondern ein zukunftsweisender Führungsstil, der wissenschaftlich fundiert und praktisch erprobt ist. Er funktioniert nicht nur im gehobenen Hotel, sondern auch im Familienbetrieb, in der Verwaltung, im Großraumbüro. Es geht darum, das Beste im Menschen zu sehen, und es im Arbeitsalltag konkret werden zu lassen.
Gerade in einer Zeit, in der viele Unternehmen an Komplexität, Tempo und Personalmangel leiden, ist dieser Ansatz mehr als nett: er ist notwendig. Positive Leadership bringt Klarheit, Verbindung und Sinn zurück in eine Arbeitswelt, die oft genug von Hektik und Druck geprägt ist. Und am Ende profitieren alle: die Mitarbeitenden, die Führungskräfte – und ja, auch die Bilanz.