Leisure Sickness: Wenn Freizeit plötzlich Fieber macht

Leisure Sickness - krank im Urlaub

Warum wir manchmal genau dann krank werden, wenn wir uns eigentlich erholen wollen, und was dagegen hilft


Der Urlaubsort ist erreicht, der Koffer ausgepackt, endlich kann sie beginnen, die Zeit, auf die wir so lange gewartet haben! Doch kaum angekommen, kratzt der Hals, dröhnt der Kopf, läuft die Nase. Na super! Kaum ist der Stress vorbei, meldet sich der Körper zu Wort: mit Erkältung, Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Willkommen in der kuriosen Welt der Leisure Sickness – der Freizeitkrankheit.

Klingt seltsam? Ist es auch. Und doch betrifft dieses Phänomen mehr Menschen, als man denkt.


Urlaub mit Fieberthermometer


Leisure Sickness ist der Begriff für das Phänomen, dass Menschen ausgerechnet in ihrer Freizeit, also am Wochenende oder im Urlaub, krank werden. Kopfschmerzen, Grippesymptome, Übelkeit oder einfach ein plötzlicher Energieabfall machen sich bemerkbar, sobald der Körper auf Entspannung umschaltet.

Erstmals beschrieben wurde das Ganze von einem niederländischen Psychologenteam rund um Ad Vingerhoets, das sich fragte: Warum fühlen sich manche Menschen gerade dann unwohl, wenn eigentlich Ruhe und Erholung anstehen?


👉🏻 Schon gewusst?

In einer Studie gaben rund 3 von 10 Berufstätigen an,

dass sie gerade an freien Tagen häufiger krank werden.

Zufall?

Nein, natürlich neurobiologisch erklärbar!


Warum ausgerechnet dann?


Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht, aber es gibt einige ziemlich plausible Erklärungen:


  • Stress-Corstisol-Absturz: Im Alltag läuft der Körper im Hochleistungsmodus. Adrenalin, Cortisol und Co. halten uns auf Trab. Bzw übt Cortisol eine immunsuppressive Wirkung aus, indem es entzündliche und immunologische Prozesse hemmt. Reduzieren wir den Stress dann und Cortisol wird abgebaut müssen die im Blut wartenden Erreger bekämpft werden – und zack, die Erkältung ist da.


  • Psychosomatische Reaktion: Manche Menschen können schlicht schlecht abschalten. Unbewusste Schuldgefühle („Ich sollte eigentlich noch ...“) oder das Gefühl, sich Freizeit nicht leisten zu dürfen, können sich körperlich bemerkbar machen.


Termindruck triggert Leisure Sickness


Leistung braucht Führung – warum Cortisol kein Feind ist


Cortisol hat oft ein schlechtes Image, dabei ist das Stresshormon eigentlich ein echter Überlebenshelfer. Es sorgt dafür, dass wir in herausfordernden Situationen wach, fokussiert und handlungsfähig bleiben. Ob bei einem wichtigen Meeting, einer Deadline oder einer Gefahrensituation: Cortisol bringt uns auf Touren. Aus evolutionsbiologischer Sicht hat „Stress“ Vorfahrt – er war (und ist) überlebenswichtig.

Das Problem entsteht erst, wenn dieser Zustand zum Dauerzustand wird und wir verlernen, wieder in den Ruhemodus zurückzufinden. Wir brauchen daher vor allem eines: ein gutes Stressmanagement. Also keine rigide Trennung zwischen „Leistung“ und „Pause“, sondern ein bewusster Umgang mit Energie, der Raum für Regeneration zulässt.


Empowern statt auspowern


Denn unser Körper kann nicht einfach auf Kommando abschalten, nur weil im Kalender „Urlaub“ steht. Wer im Alltag auf Hochtouren fährt, muss lernen, mit Übergängen umzugehen. Und Leistung nicht nur als Output, sondern auch als Selbstverantwortung zu verstehen.

Darum erfährt in unserem beruflichen und privaten Alltag der Begriff Empowerment zunehmende Bedeutung als Ansatz zur Stärkung von Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz. Es geht nicht nur darum, Stress zu vermeiden (wenn das immer so einfach wäre!), sondern Wege zu erkennen, wie wir gesund und erfüllend Leistung bringen. Ohne uns auszupowern!


Mini-Check: Bin ich gefährdet?

Du könntest anfällig für Leisure Sickness sein, wenn du …

✅ sehr leistungsorientiert bist

✅ oft keine Pausen machst

✅ auch im Urlaub ständig an die Arbeit denkst

✅ dich schwertust, „nichts zu tun“


Was sind die typischen Symptome?


So zeigt sich Leisure Sickness – häufig gleich zu Beginn von Urlaub oder Wochenende:

  • Kopfschmerzen oder Migräne
  • Übelkeit, Magenbeschwerden
  • Schnupfen, Halsschmerzen
  • Erschöpfung oder ständige Müdigkeit
  • Muskelverspannungen

Und das Gemeine: Die Symptome verschwinden oft, sobald man wieder im Jobmodus ist. Verrückt, oder?


Fazit: Selbstführung statt Selbstüberforderung


Leisure Sickness zeigt uns nicht einfach, dass wir „mehr abschalten“ sollten, sondern dass wir lernen müssen, uns selbst klug zu steuern (Stichwort „Empowerment“). Unser Körper funktioniert nicht nach Kalender, sondern nach Rhythmus. Wer in der Woche auf Hochtouren läuft, kann nicht erwarten, am Freitagabend spontan in den Erholungsmodus zu kippen. Das ist kein persönliches Versagen, sondern ein biologischer Mechanismus.

Statt also immer nur zwischen „Gas geben“ und „komplett abschalten“ zu pendeln, braucht es ein besseres Selbstmanagement: mehr Bewusstsein für Übergänge, mehr Achtsamkeit für die eigene Belastungsgrenze – und mehr Erlaubnis, leistungsfähig zu sein, ohne sich dauerhaft zu verausgaben. Denn echte Erholung beginnt nicht am Seeufer oder auf der Couch, sondern mit der Entscheidung, Verantwortung für den eigenen Energiehaushalt zu übernehmen.

Übrigens: Auch das andere uns ständig fragen „Wie schaffst du das alles?“ und wir unseren Workload verteidigen, kann ein sehr gutes Indiz dafür sein, dass das Arbeitspensum nicht ganz normal ist.


Weitere Tipps und Hintergründe zu Empowerment auch in unserem Buch „30 Minuten Empowerment“.


Quellen


Hagemann, Alexandra, Dundler Sandra: „30 Minuten Empowerment“, 2024, Gabal Verlag.

„Warum viele im Urlaub krank werden“, 5.7.25, tagesschau.de

Segerstrom, S. C., & Miller, G. E. (2004). Psychological stress and the human immune system: A meta-analytic study of 30 years of inquiry. Psychological Bulletin, 130(4), 601–630.

Vingerhoets, A. J. J. M., & Van Huijgevoort, M. (2002). Leisure sickness: A pilot study on its prevalence, phenomenology, and background. Psychotherapy and Psychosomatics, 71(5), 311–317.

Waldinger, R. J., & Schulz, M. S. (2010). What's love got to do with it? Social functioning, perceived health, and daily happiness in married octogenarians. Psychology and Aging, 25(2), 422–431.


nach oben